
Krieg und innerstädtische Vertreibung sind Wörter, die hart und vielleicht übertrieben klingen. Aber sie bezeichnen genau das, was wir heute in den Armenvierteln erleben. Dort wird um das Überleben gekämpft, denn es handelt sich nicht nur um die Besorgen der täglichen Nahrung, des Daches über dem Kopf und dem nicht Frieren, sondern ist das Überleben inmitten von Kriminalität, Gefahren und Drogen. In diesen verrufenen, höchst gefährlichen Vierteln der Stadt meint man, dass der Tag wie überall verginge, dass die Leute früh aufstünden, um zur Arbeit zu gehen und ihre Aufgaben erledigen. Aber niemand stellt sich die internen Kriege und Kämpfe vor, die hier herrschen, Streit zwischen Familien wegen Gefühlen, Besitz, Drogen oder einfacher Schwierigkeiten, die in riesigen Problemen enden und sogar das Leben kosten können. Es werden auch die Familien in diese Kriege verwickelt. Obwohl man in diesen Viertels wirklich alles finden kann, müssen wir auch hervorheben, dass es viele Menschen gibt, die widerstehen und kämpfen, um weiterzukommen, um eine andere Geschichte zu schreiben, um das Schicksal zu verändern und um eine bessere Zukunft zu haben. Wir haben viele Familien in der KINDERHILFE, die Tag für Tag dafür kämpfen, voranzukommen, genauso aber Familien, die durch die Verzweiflung des Krieges und die Schlechtigkeit aufgerieben wurden.

Aber vielleicht können hier ihre Kinder an der hilfreichen Hand der KINDERHILFE die Richtung der Familien verändern. Deshalb geht es in der KINDERHILFE auch immer darum, ihnen zu helfen, sie zu einer Person zu erziehen mit einer Vision und Aufgabe im Leben und besseren Erwartungen, indem wir ihnen eine andere Welt als die ihrer Familie zeigen und zu erleben ermöglichen.
So müssen wir in diesem Quartal leider berichten, dass unsere Familien in der KINDERHILFE von all dem ebenfalls betroffen sind. Es fällt uns schwer mitanzusehen, wie von einem Tag zum anderen einige in Kriege verwickelt sind, die plötzlich ihr Leben wegen irgendeiner Kleinigkeit auslöschen können. Dies ist der Fall bei einer Familie, die aus ihrem Haus vertrieben und mit dem Tode bedroht wurde. Das ist hart und besonders, wenn man angesichts dessen nicht viel tun kann. Ihnen blieb nur die Möglichkeit, alles stehenzulassen und zu fliehen an einen Ort, wo die Drohungen und der Tod sie nicht erreicht. Am schlimmsten betroffen davon sind immer die Kinder, die ihre Geborgenheit der Träume und Hoffnung verlassen und neu anfangen zu müssen. Im schlimmsten Fall werden die Eltern, Geschwister und andere Angehörige umgebracht. Das heizt den Krieg noch mehr an, weil immer mehr Familien von Kummer und Groll ergriffen werden, und der Konflikt weiter wächst, denn das weckt immer den Wunsch nach Rache.
So müssen unsere Kinder ihre liebevolle Umgebung in der KINDERHILFE verlassen, die Zuwendung und Behütung, die gesunde Ernährung, um Hunger zu leiden oder ungesunde Nahrung zu bekommen. Dabei geht nach und nach alles verloren, was wir bei ihnen erreicht haben, bis zur Unterernährung. Das können wir wirklich nicht zulassen und halten es für nötig, Aktionspläne zu entwerfen, um wenigstens für ihre Ernährung zu sorgen. So werden die Schäden durch die drastischen und schlimmen Veränderungen nicht so verheerend. Deshalb schicken wir ihnen Lebensmittel, flüssige Babynahrung und was uns sonst möglich ist, um sie zu unterhalten. Währenddessen suchen wir nach einem Ausweg aus diesen Konflikten. Das ist überaus schwierig und kann nur mit viel gutem Willen erreicht werden.

Wir wollten ganz allgemein über dieses Problem berichten, weil aber die Lage so gefährlich ist, können wir keine Namen nennen und noch weniger konkrete Dinge. Ich möchte hier in einer kleinen Geschichte erzählen, wie jeder hier zu jeder Zeit in diese Kriege verwickelt werden kann:
Maria ist eine der vielen Menschen, die seit Generationen eine sehr große Familie haben. In ihrer Familie kennt man keine gute Erziehung, und deshalb ist auch einer ihrer Brüder schon im Gefängnis gewesen, weil er kriminell geworden war. Er hat deswegen sehr problematische Freunde in einem Viertel, wo Banden, Drogen, Kriminalität und sogar Sicarios (gedungene Mörder) normal sind. So kam es, dass diese jungen Männer eine Auseinandersetzung wegen einer familiären Situation eines anderen hatten. Dem gefiel es aber nicht, dass sie sich in sein Leben einmischten, und es gab Streit. Diesem Streit schloss sich eine weitere Familie an, die den Mann unterstützte, der mit dem Bruder von Maria die Auseinandersetzung hatte. So kam es, dass sie sie mit einer Stichwaffe verletzten und von ihnen forderten, ihr Haus zu verlassen, sonst würde man sie umbringen. Daraufhin flüchtete Marias Familie weit weg, um zu verhindern, dass man sie oder irgendein Mitglied der Familie umbringen würde. Sie verließen ihr Haus, das ihnen gehörte und anschließend völlig zerstört wurde. Es wurden die Fenster und Türen zerbrochen, die Betten und alle Gegenstände kaputt gemacht, und es blieb ihnen nur ihre Kleidung. Es ist sehr bitter, ohne alles auf der Flucht zu sein, nachdem man wenigstens ein Dach über dem Kopf gehabt hatte. Das Schlimmste aber ist, dass dieser Bruder und ein Neffe von Maria aus Rache zwei Mitglieder aus der gegnerischen Familie verletzten. Das verschlimmerte die Situation noch weiter. Obwohl sie schon geflüchtet waren, bedrohte man sie damit, dass man für diesen Mordversuch ein Mitglied ihrer Familie umbringen würde. Deshalb mussten sie noch weiter weg fliehen und zur Miete wohnen. Für uns ist besonders traurig, dass man der kleinen Tochter und ihrem Bruder damit die Möglichkeit genommen hat, sich weiter in der KINDERHILFE gut entwickeln zu können. Hier hatten sie das Privileg einer guten Ernährung, Schutz und viel Liebe genossen. Am Ende sind es immer die Kinder, die leiden müssen, und das sollte nicht so sein. Der Verein wird sie jedoch nicht fallen lassen, denn sie haben keine Schuld an den Fehlern der Erwachsenen. Diese mussten aber leider die Kinder mit sich nehmen.

Wenn so etwas in der KINDERHILFE passiert, werden die Familien nicht allein gelassen. Wir schicken ihnen Obst, Gemüse, Eier, und weitere Grundnahrungsmittel, damit die Veränderungen für die Kinder nicht zu traumatisch sind und sie sich weiterhin halbwegs normal entwickeln können, sodass nicht alles verloren geht, was wir in der KINDERHILFE bei ihnen erreicht haben.
Trotz all dieser Probleme wird die KINDERHILFE weiter für diese Kinder kämpfen und ihnen helfen, damit sie, inmitten von so viel Gewalt, wenigstens eine gesunde Kindheit haben können.

Berichte von solchen Vorfällen erscheinen manchmal aufgebauscht und übertrieben. Aber sie sind nichts als die Realität in Kolumbien und genau das, was unsere Familien durchmachen müssen. Und es trifft nicht nur die Familie von Maria, denn wir haben viele Vorfälle mit den gleichen Problemen, wo die KINDERHILFE helfen konnte. Inzwischen sind aus den damaligen Kindern Jugendliche geworden, und diese Familien haben nach so vielen Tragödien, Morden, Gefängnisaufenthalten die Welt der Drogen und Gewalt hinter sich gelassen. Sie bemühen sich um andere Tätigkeiten, wie dem Müllsammeln oder dem Straßenverkauf. Denn zurück ins Gefängnis zu gehen, ist für sie keine Perspektive mehr und noch viel weniger, zuzusehen, wie ein weiteres Familienmitglied gewaltsam zu Tode kommt.
Den Kindern ein geschütztes Umfeld zu geben, das positiven Einfluss auf ihr Leben hat, ist ein Prinzip der KINDERHILFE. Deshalb schaffen spielerische Aktivitäten wie z.B. unser großartiges Feiern der Osterzeit immer wieder glückliche Momente.

In diese Zeit fiel der Beginn des Schuljahres, das Einweihen der Hefte, der neuen Schuhe und Uniformen, das Helfen und Erklären der Aufgaben und das Glück zu sehen, dass wir den Familien nach Kräften helfen konnten. All das macht glücklich, und es ist eine große Freude für die KINDERHILFE, die Kinder zum Beginn des Schuljahres begleiten zu können, wenn die Hilfe besonders wichtig ist und ein Schritt nach vorne im zukünftigen Leben aller ist.
Für all die empfangene Güte und die glücklichen Momente sind wir unendlich dankbar, denn ohne SIE wären so schöne und besondere Augenblicke nicht möglich.
Sandra Yicel Medina Sanchez